Tierärztliche Unterschiede - Beispiele Medikamente aus der Tiermedizin

Dr. med. vet. Corina Gericke 

Stellen Sie sich einmal einen Hund, eine Katze, eine Ratte, ein Kaninchen, ein Schwein und einen Affen vor - Tiere, die häufig für Tierversuche verwendet werden. Sie sehen schon rein äußerlich vollkommen unterschiedlich aus. Sie ernähren sich unterschiedlich, bewegen sich unterschiedlich und haben eine vollkommen unterschiedliche Lebensweise. Und diese Tiere sollen für uns Menschen als Stellvertreter, als Vorkoster für Chemikalien und Medikamente herhalten? Wie kann man glauben, dass so etwas funktionieren soll?

Die Evolution hat jede Tierart für ihre jeweilige Lebensweise »maßgeschneidert«: Anatomie, Physiologie (Organfunktionen) und vor allem Stoffwechsel einer Tierart sind ihrer jeweiligen Umwelt perfekt angepasst. So können Ratten von verdorbenen Abfällen leben, die uns mit Sicherheit nicht bekommen würden. Auf der anderen Seite können Ratten sich nicht erbrechen, was dazu führt, dass durch den Mund aufgenommene Giftstoffe im Körper verbleiben, während der Mensch sich ihrer mitunter durch Erbrechen entledigen kann. So hat jede Tierart ihre Besonderheit, wie sie mit Wirk- oder Schadstoffen umgeht. Eine Ratte ist keine Katze, eine Katze kein Hund, ein Hund kein Schwein und alle sind keine Menschen. Die Übertragung von Tierversuchsergebnissen auf den Menschen stellt daher ein unkalkulierbares Risiko dar. 

Beispiele aus der Tierarztpraxis - 
Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkungen bei Tieren

Jeder Tierarzt hat schon erlebt, wie schwer vergiftete Tiere in die Praxis gebracht wurden, weil Menschen ihren Tieren Humanarzneimittel verabreicht oder Katzen wie kleine Hunde behandelt haben. Die folgenden Beispiele für tierartliche Unterschiede sind Erfahrungswerte aus der Tiermedizin. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Antiparasitenmittel

Flohmittel, die Organophosphate/Permethrin enthalten (z.T. in Flohhalsbändern)
Produkte für Hunde sind oft stark toxisch für Katzen und Windhunde
Symptome bei Katzen: Speicheln, Atemnot, Zittern, Krämpfe

Flohmittel Fipronil (Frontline ®)
Für Hunde, Katzen und Frettchen verträglich
Kann bei Kaninchen zum Tode führen

Ivermectin (Ivomec ®)
Für Pferde, Rinder und Schweine zugelassen. Gut verträglich außerdem für Katzen, Nagetiere, Vögel und Reptilien außer Schildkröten.
Giftig für Collies und Schildkröten!
Collies können ins Koma fallen und sterben.
Vorsichtshalber bei keiner Hunderasse anwenden.
Todesfälle sind auch bei Igeln berichtet worden.
Toxisch auch für Fische. Darf nicht in Gewässer gelangen.

Haloxon (Eustidil)
Nur für Tauben!
Extrem toxisch für Gänse, Schafe und Rinder! 

Schmerzmittel / entzündungshemmende Mittel

Paracetamol
Gut verträglich für Hunde
Giftig für Katzen, Katzen fehlt das Enzym Glukuronyltransferase, weswegen Paracetamol verlangsamt abgebaut und den Körper vergiftet wird..

Symptome:
Blutmangel, Anschwellen des Gesichts in hohen Dosierungen für alle Tiere giftig.

Paracetamol ist ein weit verbreitetes Schmerzmittel und Fieber senkendes Medikament für Menschen. Bei einigen Tierarten, wie Katzen, kann Paracetamol jedoch toxisch sein und schwere Schäden an Leber und anderen Organen verursachen. Es ist wichtig, Paracetamol niemals an Tiere zu verabreichen, es sei denn, es wird ausdrücklich von einem Tierarzt empfohlen.

Ibuprofen
Ibuprofen gehört zu den nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (NSAIDs) und wird bei Menschen zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung eingesetzt. Bei vielen Tierarten, einschließlich Hunden und Katzen, kann Ibuprofen jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen, einschließlich Magen-Darm-Blutungen, Nierenversagen und anderen gesundheitlichen Problemen. Es ist wichtig, NSAIDs niemals an Tiere zu verabreichen, es sei denn, es wird ausdrücklich von einem Tierarzt empfohlen.
Kann bei Hunden schon in niedriger Dosierung zu Magengeschwüren und -blutungen führen.

Acetylsalicylsäure (Aspirin ®)
Giftig für Katzen, insbesondere nach wiederholter Gabe, da die Substanz nur ganz langsam abgebaut wird
Symptome: Erbrechen, schwankender Gang, Krämpfe

Halbwertzeiten

(Zeit, nach der nur noch die Hälfte einer Dosis im Blut nachweisbar ist) (1): 

Ziege: 0,8 Stunden
Pferd: 1 Stunde
Schwein: 6-10 Stunden
Hunde: 7-12 Stunden
Mensch: 20-24 Stunden
Katze: 22-45 Stunden

Es ist zwecklos Pferden Aspirin zu verabreichen, da es bei ihnen sehr schnell abgebaut und ausgeschieden wird.

Phenylbutazon
Für Pferde und Hunde gut verträglich
Nicht bei Katzen anwenden! Gefahr von Blutveränderungen, Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut und Nierenschäden.
Stark unterschiedliche Halbwertzeiten bei den einzelnen Tierarten
Pferd: 3,5-10 Stunden
Hund: 2,5-6 Stunden
Schwein: 2-6 Stunden
Affe: 5-8 Stunden
Rind: 32-48 Stunden
Mensch: 48-72 Stunden

Beruhigungsmittel

Morphium
Wirkt beruhigend bei Hunden
Bei Rindern, Schafen, Katzen, Pferden - Gefahr von Erregungszuständen
Es wird unbedingt abgeraten, Morphium an Rinder zu verabreichen, an Katzen nur in geringen Dosen

Apomorphin
Wirkt beim Hund als Brechmittel; wird bei Vergiftungen verabreicht
Antriebssteigernde Wirkung beim Pferd --> Missbräuchlicher Einsatz beim Pferdedoping
Erregende Wirkung bei der Katze
Keine Wirkung beim Schwein

Azepromazin
(Beruhigungsmittel)Gefahr von Kollaps bei Hunderassen mit kurzen Schnauzen, z.B. Boxer und Pekinesen.
Antriebssteigernde Wirkung beim Pferd --> Missbräuchlicher Einsatz beim Pferdedoping

Alphaxalon (Saffan®) (Narkosemittel) 
Nur für Katzen zugelassen
Kann bei Hunden zu allergischem Schock führen

Xylitol:
Xylitol ist ein Zuckerersatzstoff, der in vielen zuckerfreien Kaugummis, Süßigkeiten und anderen Lebensmitteln enthalten ist. Während Xylitol für Menschen unbedenklich ist, kann es bei Hunden zu einer lebensbedrohlichen Hypoglykämie (niedriger Blutzuckerspiegel) führen. Der Verzehr von xylitolhaltigen Produkten sollte bei Hunden unbedingt vermieden werden.

bestimmte ätherische Öle:
Einige ätherische Öle, die für Menschen angenehm riechen und in der Aromatherapie verwendet werden, können bei Tieren toxisch sein. Zum Beispiel können ätherische Öle wie Teebaumöl bei Katzen Vergiftungserscheinungen verursachen. Es ist wichtig, sich über die potenziell schädlichen ätherischen Öle für Tiere zu informieren und sicherzustellen, dass sie außerhalb der Reichweite von Haustieren aufbewahrt werden.

Antibiotika

Penicillin
Für Hunde, Katzen und Vögel gut verträglich
Gefährlich für Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und Chinchillas
Tötet lebensnotwendige Darmbakterien --> Tod durch Durchfall

Lincomycin
Für Hunde, Katzen und Vögel
Hoch giftig für Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und Chinchillas
Führt zum Tod durch Durchfall, weil die für diese Tierarten lebensnotwendigen Darmbakterien abgetötet werden, sodass giftbildende Bakterien (Clostriden) sich zu stark vermehren können
Kann beim Menschen zu Kolitis (Dickdarmentzündung) führen

Clindamycin
Gut verträglich für Hunde, Katzen und Schweine
Gefährlich für Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Chinchillas, Pferde, Rinder und Schafe

Herzwirksame Medikamente

Herzglykoside (Digoxin u.a.) 
Herzglykoside (Digoxin u.a.) Wird beim Menschen über Leber und Darm ausgeschieden, bei Hund und Katze über die Nieren
--> Gefahr von Nebenwirkungen bei Nierenschwäche

Halbwertzeiten
Mensch: 218-256 Stunden
Katze: 60 Stunden
Hund: 10-14 Stunden

Durch Stoffwechselbesonderheit der Katze (schlechte Glukuronidierung) kann Digoxin bei wiederholter Gabe giftig wirken.

Literatur dazu

Wolfgang Löscher et al:
Grundlagen der Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren,
Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg, 1994
Der Spiegel 33/2003, S. 132-133
Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.12.01
Gruber/H. Spielmann:

»Alternativen zu Tierexperimenten«,
Spektrum Akademischer Verlag 1996, S. 119
Epilepsy Research 1998: 32, 1-11