AUS DEM LEBEN EINER STADTTAUBE

Von lautem Hupen werde ich aus dem Schlaf gerissen. Ist denn schon wieder Morgen? Mein Magen knurrt. Ich habe gestern nicht genug gegessen...
Mein Sohn räkelt sich langsam und schaut mich mit großen Augen an.Seine Schwester starb vorgestern bei einem Unfall... "Ich habe Hunger, Mama!" "Ich weiß, mein Schatz."

Ich lasse meinen Sohn alleine zurück um etwas zu Essen zu besorgen.

Sein Vater ist seit 2 Tagen nicht nach Hause gekommen. Ich weiß nicht, ob er überhaupt noch lebt. Der Hunger treibt mich zu einer Bäckerei. Vielleicht liegen bei den Tonnen ja noch ein paar Reste von gestern. Es stört bestimmt niemanden, wenn ich davon ein bisschen für meinen Sohn mitnehme. 

Als ich gerade die Reste eines trockenen Brötchens aufheben will, kommt die Verkäuferin schreiend auf mich zu gerannt. Ich verschwinde lieber schnell.

Mittlerweile bin ich seit Stunden unterwegs. Es ist so heiß... Ich muss nach meinem Sohn sehen. Er ist schon so lange alleine. Aber ich kann doch nicht ohne was zu Essen nach Hause kommen. Auf dem Rückweg sehe ich neben dem Mülleimer die Reste einer Pizza liegen. Eigentlich mag ich Pizza gar nicht. Mein Kleiner bekommt davon Bauchschmerzen. Aber wir müssen doch etwas essen... 

Zu Hause schaut mein Sohn mich mit müden Augen an. "Mama, ich hatte große Angst alleine!" Ich kuschel mich an ihn und wir teilen uns das wenige Essen. Inzwischen ist es dunkel. "Mama, mein Bauch tut weh!"
"Ich weiß, mein Schatz. Versuch zu schlafen. Morgen geht es dir wieder besser."

Das Hupen der Autos reißt mich am nächsten Morgen wieder aus dem Schlaf. Auf ein Neues, denke ich und strecke meine schmerzenden Glieder.
"Guten Morgen mein Junge. Geht es dir besser?" Er antwortet nicht. Seine Augen sind ganz leer und sein Körper schlaff. Er hat jetzt keine Schmerzen mehr...

Ziellos laufe ich durch die Stadt. Meine Füße tun weh. Es ist so heiß...Dort hinten ist ein Brunnen. Ich habe großen Durst. Als ich gerade trinken möchte, hetzt ein Mann seinen Hund auf mich.
Ich schaffe es ganz knapp seinen Zähnen zu entkommen. Der Mann lacht. Aber ich wollte doch nur etwas trinken...

Ich laufe weiter und weiter. Die Hitze setzt mir zu. Ich habe noch nichts gegessen.

Die Pizza war schon schlecht. Ich habe Durchfall. Es ist so heiß... Ich muss eine Pause machen. In einem Hauseingang setze ich mich in eine Ecke. Nur ganz kurz.... "Ohje, du siehst aber gar nicht gut aus. Ich bring dich besser zum Arzt."

Ich muss eingenickt sein. Wo kommt diese Stimme her? Ich versuche mich zu wehren, aber ich habe keine Kraft. Ich nehme nur noch wage wahr, dass mich jemand trägt...

"Es tut mir leid, aber ich kann nichts mehr für sie tun." Noch eine Stimme. "Sie ist fast verhungert. Wir können sie nur noch erlösen" Ja, ich habe wirklich Hunger…. Plötzlich fühle ich einen Stich.
Eine warme Hand streicht über meinen Kopf. "Mach's gut, meine Kleine", sagt die Stimme. "Schade, dass ich Dich nicht früher fand" Ein Tropfen fällt auf mein Gesicht.

Es wird dunkel. Ich fühle mich so leicht. Wo bin ich?
"Hallo Mama! Endlich bist du Zuhause!"

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VERHUNGERN FÜHLT SICH FÜR JEDES LEBEWESEN GLEICH AN.