aus n-tv vom 30.03.24

Haben Zecken in der Natur auch einen Nutzen?

Borreliose, FSME, Fleckfieber: Zecken können Krankheitserreger an ihre Wirte weitergeben. Doch nicht jeder Zeckenstich macht krank. Einige können sogar das Immunsystem der Wirte stärken und die Evolution beschleunigen. Aber wie geht das?

Zecken sind gefürchtete Parasiten, die gefährliche Krankheiten übertragen. Sie werden in Deutschland deshalb zu den gefährlichsten Tieren gezählt. Doch nicht nur für Menschen stellen sie eine Gefahr dar, denn auch Tiere können zu ihren Opfern werden. Wenn eine Zecke ein Lebewesen befällt und Krankheitserreger durch ihren Stechapparat direkt in den Körper des Wirtes abgibt, kann der Wirt lebensbedrohlich erkranken.

Doch aus evolutionärer Sicht sind die Parasiten nicht nur schädlich für ihre Wirte, sondern können sogar an einem überlebenswichtigen Immun-Booster beteiligt sein. Das passiert, wenn sich parallel zum Zeckenstich zufällig auch das Erbgut des Wirtes verändert. Die von der Zecke übertragenen Erreger werden vom Immunsystem des Wirtes als körpereigene Reaktion bekämpft. Dadurch bricht die Krankheit nicht aus und das Lebewesen bleibt trotz Parasitenbefall gesund. Die Erbgutveränderung bleibt bestehen, sodass bei einem erneuten Zeckenstich das Opfer immun ist. Der schützende Effekt durch das veränderte Erbgut wird auch an die Nachkommen des Wirtes weitergegeben. Sie erlangen auf die Weise von Geburt an eine natürliche Immunität gegen die Krankheitserreger der Parasiten. Zecken sind, wie auch andere Parasiten, auf diese Weise an der Beschleunigung der Evolution der Wirte beteiligt.

Mit dem Blick aufs Große und Ganze sind Zecken auch in der Funktion als krankheitsauslösende Schädlinge hilfreich für die Natur. Sie halten die Populationszahlen ihrer Wirte im Rahmen. Das bestätigten auch wissenschaftliche Untersuchungen. Ein Forschungsteam der University of California stellte bei der Untersuchung von 26 invasiven Arten in neuen Lebensräumen fest, dass sie dort mit keinen Parasiten zu kämpfen hatten. Ihre Population breitete sich explosionsartig aus. In ihren früheren Lebensräumen waren Parasiten ihre natürlichen Feinde, wodurch ihre Artenvielfalt konstant blieb.

 


Zecken selbst werden von Parasiten befallen

Zecken stellen zudem eine unentbehrliche Nahrungsquelle für andere Tiere dar. Zu ihren natürlichen Feinden zählen unter anderem Spitzmäuse, Vögel, Ameisen und Igel. Einige Tiere bevorzugen mit Blut vollgesogene Zecken. Insbesondere Maulwürfe fressen die Weibchen kurz vor der Fortpflanzung.

Darüber hinaus sind die Zecken selbst Wirte für andere Parasiten. Die Universität Hohenheim stellte fest, dass Schlupfwespen ihre Eier in die Körper der Zecke legen. Die Larven töten den Wirt innerhalb weniger Tage von innen heraus. Auch Fadenwürmer nutzen Zecken als Wirte. In einem Feldversuch haben sie rund 50 Prozent der Zecken einer Population getötet. Sie umspinnen und durchdringen den Körper der Zecken mit giftigen Fäden. Des Weiteren können sich Pilze auf Zeckenkörpern ansiedeln

 


Zecken können ziemlich alt werden

 

Eine Zecke kann in der Natur im Durchschnitt neun Jahre alt werden. Die Überlebensdauer hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie den Umweltbedingungen, der Verfügbarkeit von Wirten, der Zeckenart und Krankheitserregern. Der "gemeine Holzbock" ist in Deutschland weitverbreitet und wird meist zwischen drei und fünf Jahre alt. Im Gegensatz dazu ist die Taubenzecke äußerst langlebig. Unter optimalen Bedingungen kann sie bis zu 18 Jahre alt werden. Die Zeckenart kommt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Auch in West- und Mitteleuropa ist sie inzwischen ansässig. In Deutschland kommt sie vor allem an der Nord- und Ostsee vor und befällt, wie ihr Name schon verrät, vorwiegend Tauben. Für Menschen sind sie unbedenklich, da bisher keine lebensgefährlichen Erkrankungen von ihnen ausgehen.

Die meisten Zecken können unter Laborbedingungen und bei optimaler Blutversorgung bis zu zehn Jahre ohne Nahrung überleben. Sie verbrauchen bei nahezu perfekten Bedingungen wesentlich weniger Energie als ihre Artgenossen in freier Natur. Die natürlichen Feinde, die körperliche Bewegung und Nahrungssuche bedeutet für frei lebende Tiere Stress, der den Energieverbrauch erhöht. Daher benötigen die Zecken in freier Natur früher frisches Blut, um ihren Energiehaushalt wieder aufzufüllen. Dennoch haben sich die Tiere hervorragend an ihre Umgebungen angepasst. Aus evolutionärer Sicht sind sie wahre Überlebenskünstler.

 


Zecken halten viel aus

Der Berliner Biologe Hans Dautel untersuchte vor einigen Jahren in einem "Zeckenhärtetest", unter welchen Extrembedingungen Zecken überleben können. Ein Waschgang bei 40 Grad inklusive Schleudergang stellt für das Tier grundsätzlich kein Problem dar. Insbesondere Nymphen und erwachsene Zecken haben dabei hohe Überlebenschancen. Bei zwei von drei Versuchen betrug die Überlebensrate 100 Prozent. Ab einer Temperatur von 60 Grad Celsius oder in einem Wäschetrockner wird es jedoch kritisch für die Parasiten.

Bei einer Temperatur von minus zwölf Grad Celsius im Tiefkühlfach überlebten die Zecken 24 Stunden. In einer Wohnung können 55 Prozent der Zecken drei bis zu fünf Tage überleben, erwachsene Zecken bis zu zehn Tage. In geschlossenen Räumen ist die Luftfeuchtigkeit gering. Die Parasiten benötigen langfristig eine hohe Luftfeuchtigkeit zum Überleben, die in der Wohnung nicht gegeben ist.

Übrigens: Giraffen sind perfekt vor Zecken geschützt, denn sie tragen ihren natürlichen Zeckenschutz im Fell. Die blut-hungrigen Parasiten verabscheuen den speziellen Geruch der Tiere, den sie mit dem sogenannten Hallerschen Organ, das sich an den Vorderbeinen von Zecken befindet, wahrnehmen.