Mehr Jagd führt zur Vermehrung der Wildschweine
Initiative zur Abschaffung der Jagd
Wissenschaftler: Mehr Jagd führt zur Vermehrung der Wildschweine
Sind die Jäger schuld an der Wildschweinschwemme?
Derzeit ist in der Presse wieder von einer „Wildschweinschwemme“, gar von einer „Wildschwein-Plage“ zu lesen. Doch obwohl in Deutschland so viele Wildschweine geschossen werden wie noch nie seit Beginn Aufzeichnungen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, steigt die Anzahl der Wildschweine weiter. Ist die Lösung des „Wildschweinproblems“, noch mehr Tiere zu schießen? Oder ist gerade die intensive Jagd auf Wildschweine das Problem? Denn so paradox es klingen mag: Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, um so stärker vermehren sie sich. Auf diesen Zusammenhang weisen immer mehr Forscher und neue wissenschaftliche Studien hin: Starke Bejagung führt zu einer deutlich höheren Fortpflanzung und stimuliert die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen.
Studie: Stärkere Vermehrung durch die Jagd
Durch die Jagd vermehren sich Wildtiere stärker als unter natürlichen Umständen, meint Prof. Dr. Josef H. Reichholf, der die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München leitet. Würden in einem Gebiet durch die Jagd, die ja vor allem im Herbst und Winter statt findet, viele Tiere getötet, hätten die Verbliebenen ein besseres Futterangebot. „Tiere, die gestärkt überleben, pflanzen sich im Frühjahr zeitiger und zahlenmäßig stärker fort“, sagte Reichholf gegenüber der Süddeutschen Zeitung (28.01.2009).
Zerstörung der Sozialstruktur
Wildschweine haben eine sehr empfindliche Sozialstruktur: Eine Leitbache, die einmal im Jahr fruchtbar (rauschig) ist, führt die Rotte an. Die so genannte Rauschsynchronität sorgt dafür, dass die anderen Bachen in der Gruppe gleichzeitig fruchtbar sind. Auch hält sie die älteren Jungtiere, die „Überläufer“ in Zaum und verhindert damit größere Flurschäden. Wird die Leitbache erschossen, zersprengt dies die Rotte, die führungslosen Tiere brechen in die Felder ein, alle Bachen werden mehrmals im Jahr rauschig und vermehren sich völlig unkontrolliert.
Norbert Happ, der bekannteste deutsche Wildschweinkenner – selber Jäger – prangert an: „Die Nachwuchsschwemme ist hausgemacht“. Für die explosionsartige Vermehrung der Wildschweine seien die Jäger selbst verantwortlich: „Ungeordnete Sozialverhältnisse im Schwarzwildbestand mit unkoordiniertem Frischen und Rauschen und unkontrollierbarer Kindervermehrung sind ausschließlich der Jagdausübung anzulasten“, so Happ in der Jägerzeitung "Wild und Hund" (23/2002). Das bedeutet: Jagd löst keine ökologischen Probleme, sondern schafft sie erst.
Legale und illegale Zufütterung
Natürlich hängt die Vermehrung Wildtieren auch vom Nahrungsangebot ab. So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der verstärkte Maisanbau zur Vermehrung der Wildschweine beitrage. Doch wie lange im Jahr stehen den Wildschweinen denn reife Maisfelder zur Verfügung? Sicher nicht länger als ein Monat im Jahr – Ende September wird der Mais geerntet.
Dagegen sorgen Jäger ganzjährig durch legale oder illegale Zufütterungen und so genannte „Kirrungen“ für ein unnatürlich hohes Nahrungsangebot – und tragen damit wiederum zur Vermehrung bei. So hat die Wildforschungsstelle Aulendorf errechnet, dass allein in Baden-Württemberg jährlich 4.000 Tonnen Mais allein als „Kirrung“ (also als Lockfütterung, um die Tiere besser schießen zu können) ausgebracht werden – das sind pro erlegtem Wildschwein im Schnitt etwa 100 Kilo (!) Mais. Gerade Mais fördert nachweislich die Fruchtbarkeit von Wildschweinen. Zu den Mais-Kirrungen hinzu kommt die Fütterung mit Kraftfutter im Winter, die noch mal in ähnlicher Größenordnung liegen dürfte – und die vielen illegalen Fütterungen, die Naturschützer und Jagdgegner immer wieder aufdecken und zur Anzeige bringen.
Kann die Natur sich selbst regulieren?
Die Natur hatte eigentlich alles hervorragend geregelt: Erfahrene weibliche Wildschweine - die Leitbachen - sorgen für die Ordnung in der Rotte und für Geburtenkontrolle. Die Hormone der Leitbachen bestimmen die Empfängnisbereitschaft aller Weibchen der Gruppe und verhindern, dass zu junge Tiere befruchtet werden.
Wozu dann jagen?
Der Zoologe Ragnar Kinzelbach von der Universität Rostock ist überzeugt: „Letztlich dient die Jagd nur dem Spaß und der Befriedigung der Mordlust der Jäger. Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein.“ (Süddeutsche Zeitung, 28.01.2009)
Dieses Hobby-Töten kann die überwiegende Mehrheit der Menschen heute nicht mehr gutheißen. Repräsentative Umfragen der letzten Jahre zeigen übereinstimmend: 70-80% der Deutschen stehen der Jagd kritisch gegenüber oder fordern sogar die Abschaffung der Jagd. (Quellen: GEWIS-Institut 1996; GEWIS-Institut 2002; EMNID-Institut 2003, EMNID-Institut 2004)